Aus dem Schatten getreten

Maschinenraum des Internets ++ Bodenfliese im Rechenzentrum

Noch nie zuvor merkten wir so intensiv, wie wichtig digitale Infrastrukturen für unser Leben und Arbeiten sind. Vom Homeoffice über Homeschooling bis hin zu Videochats mit Freunden und Familie – wer in den vergangenen Monaten keine gute digitale Anbindung hatte, war zum Teil von der Außenwelt abgeschnitten. Jetzt ist die Gelegenheit, digitalen Infrastrukturen durch veränderte Rahmenbedingungen endlich auch politisch den Rücken zu stärken.

„Funktionierende und leistungsfähige digitale Infrastrukturen sind das Rückgrat einer gelingenden digitalen Transformation in Deutschland und gleichzeitig Wachstumsmotor, Innovationstreiber und Multiplikator für andere Industrien, insbesondere im Bereich Industrie 4.0“, sagt Dr. Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland, die sich 2017 unter dem Dach des eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. gegründet hat. Gerade angesichts der Corona-Krise sähen wir, wo digitale Infrastrukturen als Innovationstreiber beispielsweise in den Bereichen Verkehr und Homeoffice-Anwendungen wirkten.

Digitale Infrastrukturen erwiesen sich in der Corona-Krise als wichtiger Motor, der unsere Gesellschaft und die Wirtschaft am Laufen hielt. Lange Diskussionen um den Einsatz bestimmter Cloudangebote oder Bildungsplattformen nahmen ein jähes Ende – durch den akuten Bedarf mussten Lösungen umgehend gefunden werden und sofort flexibel skalierbar einsatzbereit sein. In vielen Bereichen bedeutete das einen Schub für digitale Infrastrukturen. Schließlich investierten Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Privathaushalte in schnellere Internetverbindungen sowie neue Dienste und der Datenverkehr stieg auf Rekordwerte. Rechenzentren und Cloudanbieter arbeiteten mit Hochdruck, um der Nachfrage gerecht zu werden. 

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Dass die Politik und Öffentlichkeit endlich digitale Infrastrukturen als Wirtschaftsfaktor in Deutschland wahrnehmen und bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, fordern seit Jahren die Mitglieder der Allianz, darunter DE-CIX, Interxion, Amazon Web Services und Siemens. „Digitale Infrastruktur bedeutet nicht einfach nur Breitbandausbau, sondern es umfasst vielmehr ein starkes Netzwerk von Rechenzentren, Cloudinfrastrukturanbietern, Internetaustauschknoten und Internet- und Hosting-Serviceprovidern. Sie alle bilden das eigentliche Rückgrat digitaler Wertschöpfungs- und Innovations-Ökosysteme. Die Politik muss ihre Innovations- und Wirkpotenziale sowie ihre Herausforderungen volkswirtschaftlich endlich stärker gewichten und in Politikkonzepte einbeziehen“, erklärt Alexander Rabe, Geschäftsführer des eco Verbands.

Maschinenraum des Internets ++ Hannes Ametsreiter
Hannes Ametsreiter © Vodafone

Hannes Ametsreiter, CEO bei Vodafone Deutschland, der sich ebenfalls in der Allianz engagiert, betont: „Die Zukunft Deutschlands liegt in seiner digitalen Infrastruktur – und damit nicht zuletzt in den Händen der Politik, die diese mit einer gezielten Förderung des Netzausbaus in Mobilfunk und Festnetz als auch einer Betrachtung von Rechenzentren als integralem Bestandteil eine digitalen Ökosystems stärken kann. Das schafft neue Geschäftsmodelle. Das schafft Arbeitsplätze. Das schafft Wohlstand.“

Reale Bedingungen bremsen die nachhaltige Digitalisierung 

Doch in der Praxis sahen sich die Betreiber digitaler Infrastrukturen bislang eher mit großen Herausforderungen, mangelnder Anerkennung und Unterstützung konfrontiert. „Fachkräftemangel, langwierige Genehmigungsverfahren und nicht zuletzt die hohen Stromkosten sind eindeutige Standortnachteile und eine Gefahr für den Digitalstandort Deutschland. Nicht nur in Sachen Breitbandausbau hat Deutschland seine Hausaufgaben nicht gemacht, sondern auch bei der Ansiedlungspolitik und Pflege bestehender Infrastrukturen besteht Nachholbedarf“, erklärt Allianz-Sprecher Waldhauser.

Jetzt, wo die Infrastrukturen aus dem Schatten getreten und in das Bewusstsein gerückt sind, besteht die Chance, endlich etwas an dieser Situation zu ändern. So begrüßte die Allianz ausdrücklich den Beschluss der Energieminister und Senatoren der Bundesländer, Stromkosten zu senken und dadurch ein nachhaltiges Energiewende-Konjunkturprogramm anzustoßen. „Stromkosten sind ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für Rechenzentren. Die Stromkosten sind in Deutschland teilweise viermal so hoch wie im europäischen Vergleich. Dies liegt vor allem an der sogenannten EEG-Umlage, weiteren Abgaben und der Stromsteuer, die es in dieser Art und Höhe in anderen Ländern nicht gibt“, sagt Waldhauser. 

Maschinenraum des Internets ++ Solarstrom

Insbesondere die Umlage im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist ihm und seinen Mitstreitern seit Jahren ein Dorn im Auge. Betreiber von Rechenzentren gelten nicht als produzierendes Gewerbe und sind deshalb nicht von der Zahlung der EEG-Umlage befreit. Diese erweist sich als Wettbewerbsnachteil und Investitionshemmnis. Bereits 2014 mahnte der damalige Interxion-Geschäftsführer Peter Knapp im Hinblick auf die Tatsache, dass der Strom allein schon doppelt so viel wie zum Beispiel in Frankreich kostete: „Es ist fünf vor zwölf, die Politik muss jetzt handeln.“ 

Dabei benötigen Rechenzentren hierzulande ohne Frage enorme Mengen Strom, laut dem Netzwerk energieeffiziente Rechenzentren (NeRZ) rund 12,4 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2016, was in etwa 2,3 Prozent des deutschen Strombedarfs entsprach. Aber wie eine aktuelle Studie von eco und der Allianz zeigt: Während sich der Bedarf an Rechenleistung durch die anhaltende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht hat, ist der Energiebedarf pro Gigabit in Rechenzentren heute zwölfmal niedriger als noch im Jahr 2010.

Stromkosten sind ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für Rechenzentren. Die Stromkosten sind in Deutschland teilweise viermal so hoch wie im europäischen Vergleich.

Dr. Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland

Da Stromkosten ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sind, besteht großes Interesse der Betreiber, diese möglichst durch den Einsatz neuester Technik und Erkenntnisse so gering wie möglich zu halten. Und wie würde der Energieverbrauch aussehen, wenn Unternehmen statt Colocation zu nutzen, ihre eigene, womöglich veraltete IT, alle selbst intern betrieben? 

„Die Umlagen, Abgaben und Steuern für Rechenzentren müssen daher auf ein moderates Niveau gesenkt werden, um diesen Wettbewerbsnachteil abzumildern und international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Länder haben diesen Zusammenhang richtig erkannt. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch und sollten jetzt rasch umgesetzt werden“, so Waldhauser. Die Abschaffung der EEG-Umlage für Rechenzentren könnte ein erster wichtiger Schritt sein, um digitalen Infrastrukturen die ihnen gebührende Wertschätzung zukommen zu lassen.

Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland

Fotos © Kjekol, Chuyu2014 | Envato Elements Pty Ltd.

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