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High-Performance Computing in Keflavik

Maschinenraum des Internets ++ Island

2012 nahm Verne Global auf einem ehemaligen NATO-Gelände unweit von Keflavik seinen Datacenter Campus in Betrieb. Inzwischen umfasst das Gelände mehr als 60.000 Quadratmeter Technikfläche. Im Interview erklärt CEO Dominic Ward die Vorzüge von Island als Standort und wie die Rechenzentren von Verne Global selbst mit Vulkanasche fertig werden.

Für viele Rechenzentrumsbetreiber auf dem europäischen Festland gehört es zu den wichtigsten Aufgaben, ausreichend Energie zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen. Welche wichtigen Herausforderungen im Zusammenhang mit Energie gibt es in Island, also an einem Standort, an dem Energie im Überfluss vorhanden ist?

Unser Rechenzentrumscampus befindet sich genau wegen der zuverlässigen und nachhaltigen Energieversorgung in Island. Island ist weltweit das einzige Land, das seine Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen bezieht. Das sind Wasserkraft, Geothermie und mit einem kleinen Anteil Wind.

Auch unter erneuerbaren Energiequellen ragen Wasserkraft und Geothermie heraus. Im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie, die Schwankungen unterliegen, sind Wasserkraft und Geothermie konstant, stabil und zuverlässig. Dazu kommt: Gegenwärtig nutzen wir in Island nur ungefähr zehn Prozent unserer geothermischen Ressourcen, ein gewaltiges Potenzial ist also noch ungenutzt.

Maschinenraum des Internets ++ Wasserkraftwerke von Landsvirkjun
Wasserkraftwerke von Landsvirkjun

Das Klima in Island ist moderat und ermöglicht spürbare Ersparnisse bei den Energiekosten bei der Klimatisierung im Rechenzentrum. An anderen Standorten werden oft 40 Prozent oder mehr des gesamten Energieverbrauchs für die Klimatisierung benötigt. Island ist eines der wenigen Ländern dieser Erde, an denen natürliche Freiluftkühlung jeden Tag und den ganzen Tag möglich ist.

Freiluftkühlung bedeutet weniger Energiebedarf im Alltag und damit geringere Kosten. Es ist sogar so: Für jedes Watt, das für den Betrieb der Server unserer Kunden in Island nötig ist, brauchen wir nur 0,05 Watt zusätzlich für die Kühlung, wohingegen an anderen Standorten pro Watt für den Serverbetrieb teilweise ein weiteres Watt für die Kühlung der Server nötig ist.

Die Stromkosten in Island sind höchst vorhersehbar und können für bis zu zehn Jahre festgelegt werden. Die geringen Stromkosten können im Vergleich zu anderen europäischen Ländern enorme Kostenersparnisse heute und in der Zukunft mit sich bringen.

Maschinenraum des Internets ++ Geothermalkraftwerk Krafla
Geothermalkraftwerk in Krafla

Die einzigartige Mischung aus im Überfluss vorhandenen, 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammender Energie aus stabilen geothermischen und Wasserkraftquellen, dem für Freiluftkühlung perfekten, moderaten Klima und dem Vorteil langfristig kalkulierbarer Energiekosten machen Island zum perfekten Standort für Rechenzentren.

Ein weiteres Thema ist Latenz. Islands offensichtlicher Vorteil ist die Lage zwischen Europa und Nordamerika. Allerdings ist Island weit entfernt von Metroregionen wie Frankfurt, London oder Amsterdam. Ist das für Ihre Kunden eine Herausforderung und wenn ja, wie helfen Sie ihnen dabei?

Die Kunden von Verne Global betreiben eine Vielzahl an Anwendungen, einschließlich High Performance Computing (HPC) und Machine Learning mit hohen Rechenaufwand. Ob in den Life Sciences, Research, Maschinenbau oder in der Finanzwirtschaft, fokussieren die meisten unserer Kunden auf HPC und High Density-Konfigurationen. Diese Anwendungen laufen für Minuten, Stunden, Tage oder sogar Wochen und mit zunehmender Dauer werden Standort und Latenzen immer unbedeutender.

Maschinenraum des Internets ++ Datacenter von Verne Global
Rechenzentrum von Verne Global

Zeitkritische Anwendungen wie der Hochfrequenzhandel oder das Geschäft mit Online-Anzeigen benötigen niedrige Latenzen, aber bei der Mehrzahl der Anwendungen im Enterprisesegment, circa 85 Prozent, ist Latenz nicht entscheidend, womit Entfernungen grundsätzlich unwichtiger werden und im Fall von HPC nahezu bedeutungslos.

Island ist ein geologischer Hotspot. Wie gehen Sie die damit verbundenen Herausforderungen an?

Islands geothermische Aktivität ist der wichtigste Lieferant von nachhaltiger, grüner Energie und ermöglicht uns einen weltweit einzigartigen, grünen Footprint. Island wurde 2016 im Data Centre Risk Index des globalen Beratungsunternehmens Cushman & Wakefield als weltweit sicherster Standort für Rechenzentren gekürt. Im World Risk Report des Bündnis Entwicklung Hilft (BEH) im Jahr 2019 wurde Island als Standort mit geringem Desasterrisiko, geringer als Deutschland, Schweden und die Schweiz gekennzeichnet.

Maschinenraum des Internets ++ Konzept "powerDIRECT" bei Verne Global
Konzept „powerDIRECT“ bei Verne Global

Für den Fall eines Vulkanausbruchs ist in unserem Rechenzentrum ein fortschrittliches Filtersystem installiert, das Vulkanasche aus der Luft filtert und so dafür sorgt, dass unsere Räume nicht belastet werden. Wir haben auch Support vor Ort rund um die Uhr, sollte es zu Einschränkungen im Luftverkehr kommen, kann unser Kundendienst am Standort weiterhin das Equipment unserer Kunden warten.

Maschinenraum des Internets ++ Datacenter Campus von Verne Global
Datacenter Campus von Verne Global bei Keflavik

Unser Campus befindet sich im westlichsten Teil von Island auf einem früheren NATO-Gelände, das wegen seiner Sicherheit und Stabilität ausgesucht wurde.

Warum entscheiden sich Ihre Kunden für Sie?

Verne Global ist führend im Bereich Intensity und HPC. Precision Computing ist vielen unserer Kunden wichtig, sei es BMW, die unzählige Modelle für Crash-Test-Simulationen laufen lassen oder DeepL aus Köln, die große Datenmengen für maschinelles Übersetzen verwenden.

Maschinenraum des Internets ++ High-Performance Computing bei Verne Global
High-Performance Computing bei Verne Global

Wir sind optimiert auf HPC und bieten Kunden verbesserte Performance kombiniert mit so viel Computingressourcen wie sie benötigen sowie eine effizienten Energienutzung. Die Workloads unserer Kunden benötigen oft vergleichsweise hohe Rack-Dichte und wir stellen ihnen die nötige Dichte zur Verfügung, um mit hohen Workloads und Aufgaben zurechtzukommen.

Unser Standort in Island bietet die ideale Mischung aus nachhaltiger Energie, einem zuverlässigen Stromnetz und dem perfekten Klima, um rund ums Jahr mit Freiluft zu kühlen. Unterm Strich können unsere Kunden so ihre Stromkosten signifikant senken und von planbaren Energiekosten für die absehbare Zukunft ausgehen, während sie HPC in einer dafür optimierten Umgebung nutzen.

Dominic Ward bei LinkedIn
Verne Global

Fotos © Verne Global

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Auffallen, ohne aufzufallen

Maschinenraum des Internets ++ Arbeiten im Rechenzentrum

Im Maschinenraum des Internets sind noch Stellen frei. Speziell am Hub Frankfurt gibt es viele Möglichkeiten, vor allem für Techniker. So steht es in den Jobportalen. Was dort allerdings nicht steht: Dass, wer hier arbeiten will, eine Qualifikation mitbringen sollte, die in keiner Ausbildung gelehrt wird.

Mit der IT verhält es sich schließlich so: Jeder will sie benutzen, ohne darüber nachzudenken. Alles soll intuitiv, verlässlich, sicher funktionieren. Wer mit IT arbeitet – und wer tut das nicht? – möchte nicht darüber nachdenken, ob heute wohl wieder alles flutscht und warum. Wer mit IT arbeitet, erwartet, dass die IT funktioniert. 

Anerkennung setzt Sichtbarkeit voraus, aber wer für das Funktionieren der IT Verantwortung trägt, wird oft erst dann sichtbar, wenn nichts mehr geht. Selbst wenn die mehr oder weniger unsichtbare, hochmoderne Infrastruktur in mehr als 99,999 Prozent der Zeit unbemerkt vor sich hinfunzt. Das kann frustrierend sein.  

Der beste Schutz vor Frust ist Selbstwirksamkeit. Diese Erkenntnis ist auch in unserer Branche angekommen, weshalb wir vor einiger Zeit angefangen haben, uns selbst um Sichtbarkeit und Anerkennung zu kümmern. Das erklärt, warum Rechenzentren neuerdings nicht mehr nur reine Zweckbauten sind, sondern auch mal eine architektonisch auffällige Fassade spendiert bekommen.

Maschinenraum des Internets ++ FRA15 – Interxion Rechenzentrum
Rechenzentrum FRA15 © Interxion

Und es erklärt die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland, die mit einigem Nachdruck darauf hinweist, welche Rolle die grundlegende Netzwerkinfrastruktur für die Wirtschaft und längst auch für das Funktionieren einer offenen und freien Gesellschaft spielt. Rechenzentrumsbetreiber, Colocation-Anbieter, Internet Service Provider, Carrier, Cloudanbieter, Softwarehersteller und Vertreter aus der Anwendungsindustrie machen sich hier gemeinsam sichtbar und werben um Anerkennung, die sich gerne auch in unterstützender, statt hemmender Standortpolitik bemerkbar machen darf.

Und wir machen mit Botschaften wie diesen auf uns aufmerksam, mit denen der Nutzen einer modernen IT herausgestellt wird: „Die IT wird vom Kostenfaktor zum Innovationstreiber.“ „Kosten senken und Umsatz steigern durch effiziente IT .“ „Neue Märkte erschließen mit besserer Connectivity.“ Allesamt Botschaften mit denen, die IT primär aus der Anwenderperspektive kennen, dazu gebracht werden sollen, genauer hinzuschauen und zu entdecken, welche phantastische Arbeit ganz unten erbracht wird.

In klugen Unternehmen ist das nichts Neues. Hier ist der Wert einer funktionierenden und neue Wege erschließenden IT bekannt. Mehr Sicherheit, weniger Latenz. Mehr Connectivity, weniger Kosten. Neue Märkte, mehr Kunden, mehr Vielfalt beim Angebot möglicher Partner. Mehr von alledem, was letztlich zu den Metriken führt, die zum unternehmerischen Erfolg beitragen: Mehr Reichweite, mehr Kunden, mehr Aufmerksamkeit, mehr Umsatz. Mehr Gewinn.

Hier könnte die Geschichte enden. Ein kluges Unternehmen, das die Bedeutung der IT-Infrastruktur erkennt, entsprechend handelt und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen sichert, die weniger vorausschauend und agil managen.

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eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.

Wem würde eine solche Geschichte, eine typische Success Story nicht gefallen? Wer würde sie nicht für eine gute Geschichte halten? Nun. Vielleicht diejenigen, die nach uns kommen? Oder alle die, die schon heute nicht nur danach fragen, „warum“ wir etwas tun. Sondern die auch wissen wollen „wozu“? 

Kausaler versus modaler Zusammenhang

Warum und wozu: Zwei Fragewörter, die eigentlich recht ähnlich sind, die auch oft ganz ähnlich gebraucht werden, die aber doch ganz unterschiedliche Antworten ermöglichen. Das wird in den drei oben genannten Botschaften deutlich. Sie alle zielen nicht nur auf das Warum ab, sondern ganz konkret das Wozu? Es geht dabei nicht um kausale Zusammenhänge. Wer nur nach dem kausalen Zusammenhang fragt, ist schneller zufrieden zu stellen: 

„Warum brauchen wir eine vernünftige IT?“ 
„Um unsere Daten verarbeiten zu können!“

 
Wer aber nach einem modalen Zusammenhang fragt, will es genauer wissen. 

„Wozu brauchen wir eine vernünftige IT?“ 
„Um unsere Daten verarbeiten zu können.“ 
„Und wozu diese Datenverarbeitung?“ 
„Um unseren Kunden ein besseres Nutzererlebnis bieten zu können?“ 
„Und wozu das bessere Nutzererlebnis?“ 
„Damit unser Laden nicht pleite geht.“ 
„Und wozu genau braucht es nochmal Ihren Laden?“ 
„Öhm. Da muss ich etwas ausholen.“
„Oder erst noch mal in Ruhe nachdenken?“

Sich der Frage nach dem Wozu zu stellen, ist anstrengend. Es ist aber auch wichtig. Gerade in einer so energieintensiven Branche wie unserer.

Mein Tipp, für alle, die „sich verändern wollen“ und daher freie Stellen im Maschinenraum des Internets scannen: Fühlen Sie Ihren potenziellen Arbeitgebern ruhig mal mit der Frage nach dem Wozu auf den Zahn. Die Antwort könnte Ihnen einiges darüber verraten, ob Sie Ihre Zukunft in die Sorte Geschäftsmodell investieren, nach dem zurzeit alle suchen: ein sinnvolles und nachhaltiges.

Fotos © Dotshock | Envato Elements Pty Ltd.

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